Eine Untersuchung zum Einfluss von Empfehlungssystemen auf redaktionelle Entscheidungen im Klimajournalismus
Dissertation von Vanessa Kokoschka
Projektleitung: Prof. Dr. Lars Rademacher und Prof. Dr. Kawa Nazemi
Beteiligte Institutionen: Hochschule Darmstadt
Dauer: 12/2022 bis 12/2025
ikum
Die Klimakrise stellt eine systemische Herausforderung dar, die alle gesellschaftlichen Teilbereiche betrifft. Um Personen zu einem klimafreundlichen Handeln zu befähigen, kommt dem Klimajournalismus als Informationsanbieter eine entscheidende Rolle zu, den Prozess der nachhaltigen Entwicklung kommunikativ zu begleiten.
Zugleich verändert sich durch Plattformen wie den sozialen Netzwerken und Streaming-Diensten das Mediennutzungsverhalten: Besonders die 14- bis 29-Jährigen konsumieren Inhalte überwiegend non-linear (vgl. Beisch/Koch 2021: 498). Um diese Zielgruppe journalistisch zu erreichen, sind Plattformen ein unverzichtbarer Teil der Digitalstrategie von Redaktionen. Die algorithmischen Empfehlungssysteme der Plattformen selektieren Inhalte und erstellen einen personalisierten Newsfeed. Damit beeinflussen sie die Sichtbarkeit eines Beitrags, ohne dass dies für Redaktionen nachvollziehbar ist, denn die Programmierung der Algorithmen bleibt intransparent.
Um eine möglichst hohe Reichweite zu erzielen, nehmen Redaktionen Anpassungen an ihren Beiträgen vor – zum Beispiel an der Dramaturgie, den Bild-Ästhetiken oder der Beitragslänge. Als Entscheidungsgrundlage dienen ihnen dabei die Metriken der Plattformen (u.a. Likes, Shares, Kommentare, Verweildauer). Dieses Vorgehen kann zu einem potenziellen Konflikt zwischen der redaktionellen Logik (Orientierung an Nachrichtenwerten, Ausgewogenheit der Berichterstattung, Meinungsvielfalt, journalistische Autonomie) und den algorithmischen Interessensberechnungen der Plattformen führen (vgl. Eichler 2022; vgl. Lischka 2021; vgl. Peterson-Salahuddin/Diakopoulos 2020; vgl. Hanusch 2016).
Im Rahmen der Dissertation wird mit einem Mixed-Method-Ansatz (Inhaltsanalyse, Leitfadeninterviews und Redaktionsbeobachtungen) das Spannungsverhältnis zwischen der journalistischen Autonomie und den algorithmischen Interessensberechnungen erforscht und die entscheidungsrelevanten Kriterien in der Beitragsproduktion für Plattformen beleuchtet. Die Dissertation will
- die Merkmale einer Plattformisierung identifizieren und nachvollziehen;
- die Rolle der algorithmisch berechneten Metriken in der journalistischen Relevanzbestimmung und ihr Einfluss in Redaktionsunterscheidungen untersuchen;
- die Gestaltung des Verhältnisses zwischen Plattformen und Redaktionen beleuchten mit Hinblick auf die Wahrung der journalistischen Autonomie erforschen.
Die Ergebnisse der Dissertation sollen in die Praxis transferiert werden, um
- Strukturen und Optimierungsansätze der Plattformisierung von klimajournalistischen Formaten aufzuzeigen sowie ihre Rückwirkung auf die redaktionelle Organisation und Autonomie zu analysieren;
- eine Diskussion über den Umgang mit interessenbasierten Metriken im Nachrichtengeschäft anzustoßen;
- einen Leitfaden zu konzipieren, der medienethische und –rechtliche Grundsätze im Umgang mit Metriken beinhaltet und als Handlungsempfehlungen zur strategischen Ausrichtung in Redaktionen dienen kann;
- das Problembewusstsein und die Digitalkompetenzen von Journalisten im Umgang mit Plattformen zu fördern.