Die KI liest mit
Prof. Dr. Melpomeni Alexa über Social Listening & Sentiment-Analyse
Ein Beitrag von Valerie Neumaier
Montag, 19. Oktober 2020
ikum
Nicht nur Nestlé, Merck oder Ikea – auch mittelständische Unternehmen müssen ihre Außenwirkung heutzutage stets auf dem Schirm haben und setzen dabei verstärkt auf Künstliche Intelligenz. Dieses Monitoring bezeichnet man im Fachjargon als „Social Listening“, welches mit Hilfe von Software-Tools unterstützt wird. Solche Marktanalyse-Tools können als Gegenstück zur Suchmaschinenoptimierung verstanden werden, da sich mit ihnen die Reaktionen der Zielgruppe im Querschnitt evaluieren lassen.
Mit dem Projekt „Marktstudie: Social Listening Tools für KMU“ im Sommersemester 2020 hat Frau Prof. Dr. Melpomeni Alexa zusammen mit Studierenden des Studienganges Onlinekommunikation den Markt analysiert. Dieses stark praxisorientierte Projekt steht im Zusammenhang mit den von Prof. Dr. Melpomeni Alexa und Prof. Dr. Melanie Siegel verfassten Lehrbuchprojekten „Sentiment-Analyse deutschsprachiger Meinungsäußerungen: Grundlagen, Methoden und praktische Umsetzung“ und „Werkzeuge für Social Listening und Sentiment-Analyse: Anwendungsbereiche und -beispiele für die Analyse deutschsprachiger online-Textdaten“. Die Projekte wurden unterstützt vom Forschungszentrum „Digitale Kommuniaktion und Medien-Innovation“ (fz dkmi).
Künstliche Intelligenz als Stimmungsbarometer
Bekannte Tools zur Marktanalyse wie Talkwalker, Brandwatch und Ubermetrics überwachen, filtern und werten Social-Media-Erwähnungen ihrer Marke in Echtzeit aus.
Als digitale Augen und Ohren der Unternehmen durchscannen diese KIs das Internet nach Informationen wie: Worüber spricht die Zielgruppe? Welche Wünsche und Ideen äußert sie und welche Schlüsse kann man daraus ziehen? Die Auswertung, ob insgesamt eher positiv oder negativ über ein Unternehmen und seine Produkte und Services gesprochen wird, wird „Sentiment-Analyse“ genannt.
Die beim Social Listening verwendete Technologie erwuchs ursprünglich aus der klassischen Marktforschung und der Sprachtechnologie. Heute wird sie dazu genutzt, herauszufinden, wie viel und mit welcher Konnotation Themen bei Verbrauchern diskutiert werden, um die Performanz von Produkten zu verbessern.
Social Listening bewährt sich auch in der Krisenkommunikation: macht etwa auf Twitter die Nachricht die Runde, dass in einer Tafel Schokolade Metallteilchen gefunden wurden, schlägt die Monitoring-Software Alarm und der Hersteller kann schnell reagieren und die Kommunikation auf den verschiedenen Kanälen steuern.
Mensch und Maschine: Kann eine Software Sarkasmus erkennen?
Darüber hinaus wird Social Listening auch für Employer Branding genutzt, also dazu, Firmen als attraktive Arbeitgeber zu positionieren und potentiell geeignete Bewerber auf die eigene Marke aufmerksam zu machen. Darüber hinaus übernimmt die KI auch den Blick über den eigenen Tellerrand, indem sie beispielsweise misst, wie oft die Konkurrenz neue Inhalte postet. Natürlich spielt beim Thema Social Listening auch das Auswerten von Bildmaterial (Visual Listening) eine Rolle – Logos, Marken, Bildkategorien, Personen bieten ebenso viele relevante Informationen wie die Textebene.
Unfehlbar ist das Monitoring allerdings nicht, denn zwei zutiefst menschliche Ausdrucksformen versteht auch die fortschrittlichste KI nicht: Ironie und Sarkasmus.
Da kann es schon einmal vorkommen, dass Tweets wie „Die Deutsche Bahn hat seit kurzem ein neues Feature: Mücken!“ von der KI als positive Publicity gewertet werden, wodurch verfälschte Gesamtergebnisse über die Außenwirkung von Unternehmen und ihrer Kampagnen entstehen. Die manuellen Korrekturen können anschließend verwendet werden, um lernfähige KIs zu trainieren. Daher müssen die Daten, die ein Social Listening Tool liefert, von Menschen überprüft und ausgewertet werden.
Das Lehrbuch „Sentiment-Analyse deutschsprachiger Meinungsäußerungen“ ist bereits erschienen und beim Springer Verlag verfügbar.
Das Lehrbuch „Werkzeuge für Social Listening und Sentiment-Analyse: Anwendungsbereiche und -beispiele für die Analyse deutschsprachiger online-Textdaten“ wird voraussichtlich gegen Ende 2020 / Anfang 2021 erscheinen.
Weiterführende Links
Lehrbuch „Sentiment-Analyse deutschsprachiger Meinungsäußerungen“ zum Download beim Springer-Verlag: https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-658-29699-5
Artikel zur Marktstudie bei Mittelstand 4.0 – Kompetenzzentrum Kommunikation: https://www.kompetenzzentrum-kommunikation.de/artikel/marktstudie-ueber-social-listening-tools-wer-steckt-dahinter-4600/
Interview „Social Listening – Ohne Zuhören keine Analyse“: https://www.kompetenzzentrum-kommunikation.de/artikel/social-listening-ohne-zuhoeren-keine-analyse-4593/#