Klimagerechte Sprache – Torsten Schäfer im Live-Gespräch mit der taz
Die taz implementiert nach Empfehlungen von Prof. Dr. Thorsten Schäfer einen Sprachleitfaden zur Berichterstattung über das Klima
Ein Beitrag von Valerie Neumaier
Mittwoch, 9. September 2020
ikum
Verharmlost unsere Sprache die Klimakrise? Über dieses Thema diskutierte am 7. September 2020 Torsten Schäfer, Gründer von grüner-journalismus.de, mit taz-Journalist Kai Schöneberg live auf YouTube. Als erste deutsche Zeitung hat die taz einen Leitfaden für ihre Klimaberichterstattung entwickelt, deren Empfehlungen von Schäfer stammen. Inspiriert wurde der Leitfaden vom britischen „Guardian“, der seinen Journalisten seit 2019 klare Leitlinien zur Klimasprache vorgibt. Um zu betonen, dass solche Personen sich außerhalb des wissenschaftlichen Diskurses bewegen, soll beispielsweise statt von „Klimaskeptikern“ von „Klimaleugnern“ und statt von „globaler Erwärmung“ von „globaler Erhitzung“ die Rede sein.

Prof. Dr. Thorsten Schäfer im Livetalk mit taz-Journalist Kai Schöneberg
Erweitertes Vokabular statt verordnetem Jargon
Die taz betont, dass der neue Leitfaden keine „Sprachdiktatur“ errichten wolle und Journalisten weiterhin frei in ihrer Wortwahl seien. Außerdem geht es laut Schäfer in der klimagerechten Sprache nicht nur um spezifische Begriffe, sondern auch darum, das vorhandene Vokabular zu erweitern. So plädiert er beispielsweise dafür, nicht immer nur „Klimawandel“ zu schreiben, sondern auch „Klimakatastrophe“, „Klimachaos“ oder schlicht „Klimaproblem“.
Das wohl prominenteste Beispiel für bewusste Verharmlosung von Klimasprache: Der Ölkonzern Shell wusste bereits in den 1980er Jahren vom menschlichen Einfluss auf das Klima, dementierte jedoch öffentlich dessen Existenz und prägte eigens den Begriff „Klimawandel“, anstatt präzisere und schon damals übliche Begriffe wie „Klimaerwärmung“ zu benutzen. Inzwischen verwendet die ganze Welt diesen Begriff, der dem Guardian zufolge eher „passiv und nett“ statt nach einer globalen Katastrophe klingt. „Man könnte natürlich sagen, man geht Shell damit auf den Leim, wenn man diesen Begriff weiter benutzt“, so Schäfer. „Aber ich finde es wichtig, diesen Begriff beizubehalten, um nicht den Anschluss an die breite Masse zu verlieren.“
Konstruktive Berichterstattung statt Panikmache
„Weil die Klimadimension immer ausdifferenzierter und komplexer wird, brauchen wir eine breitere Sprache“, sagt Schäfer. „Dadurch wird sie vielfältiger, lebendiger, blühender und damit auch stärker und wirksamer.“ Dazu eignet sich auch der von Greta Thunberg häufig verwendete Begriff Klimakrise – sollte laut Schäfer jedoch mit Vorsicht verwendet werden: Krisen hätten stets einen Anfang, eine Lösung und auch ein absehbares Ende. Dies sei – anders als bei der Coronakrise – bei der Erderhitzung nicht der Fall.
Außer über den Leitfaden diskutierten Schäfer und Schöneberg auch über die generelle Ausrichtung von Klimaberichterstattung, die häufig von Katastrophenberichten und Horror-Szenarien geprägt ist. Um diesem Dauer-Alarmismus entgegenzuwirken, empfiehlt Schäfer Journalisten, mehr konstruktive Botschaften zu senden, häufiger nach dem Wohin? zu fragen und vermehrt über Ideen, Lösungen und Erfolge zu berichten.
Obwohl eine solche Berichterstattung nur bedingt die Handlungen der Zielgruppe beeinflussen kann, hilft sie jedoch laut Schäfer dabei, Ängste zu bekämpfen und mehr Interesse am Klimathema an sich zu wecken.